Donnerstag, 30. April 2020

Die Preise werde sich verdoppeln oder verdreifachen ...

Mangel an Saisonarbeitern gefährdet die Ernten in der EU – Wie das russische Fernsehen darüber berichtet

von aikos2309
Vor zwei Wochen habe ich in einem Meinungsartikel die These aufgestellt, dass fehlende Erntehelfer eines der meist unterschätzten Probleme der Coronakrise sind. Da der Artikel sehr kontrovers diskutiert wurde, will ich darüber berichten, wie Russland auf das Problem schaut.
Mein Artikel von vor zwei Wochen wurde zu meiner freudigen Überraschung in den Kommentaren weit aktiver diskutiert, als ich vermutet hätte. Offenbar stehe ich mit meiner Meinung, dass die Frage der Erntehelfer sehr wichtig ist, nicht allein, denn was soll nächstes Jahr in die Supermarktregale, wenn die Ernte nicht eingebracht werden kann? Auch wenn es kaum zu einer Hungersnot kommen würde, aber deutlich höhere Preise für Lebensmittel wären nicht zu verhindern. Von Thomas Röper
Das ist unsere deutsche Sicht auf das Thema. Aber es gibt ja auch die Sicht der anderen Betroffenen, der Erntehelfer. Die brauchen das Geld, das sie bei den Ernteeinsätzen verdienen. Sie wissen aber auch, dass sie sehr geringe Löhne bekommen, für die die Menschen in Westeuropa im Leben nicht arbeiten würden, erst recht nicht in einer körperlich so harten Tätigkeit, wie der Ernte.
Auch wenn Russen nicht als Erntehelfer nach Europa gehen, hat man in Russland Mitgefühl für das harte Schicksal der Saisonarbeiter. Daher ist es interessant, wie – und vor allem, mit welch drastischer Wortwahl – das russische Fernsehen über das Thema berichtet. Daher habe ich einen Bericht des russischen Fernsehens über das Thema übersetzt (Bio-Trend „Permakultur“ - keine Spritzmittel, deutlich mehr Ernte - die Zukunft der Landwirtschaft (Videos)).
Beginn der Übersetzung:
Das ukrainische Außenministerium erklärte heute, dass ukrainische Arbeitsmigranten nur dann ins Ausland reisen können, wenn sich die Situation um das Coronavirus in der Welt verbessert. Kiew erteilt keine Genehmigungen für Charterflüge, um Saisonarbeiter nach Westeuropa zu bringen, aber dort werden sie sehnsüchtig erwartet.
In Spanien, Italien, Frankreich, Deutschland und Großbritannien geht ohne Saisonarbeiter die Erdbeer- und Spargelernte verloren. Was passiert, wenn Obst und Gemüse nicht geerntet werden können?
Im Mai werden die britischen Landwirte ernten müssen, aber es gibt niemanden, der das tun kann. In den letzten zehn Jahren wurden hier billige Sklaven aus Osteuropa eingesetzt. Der übliche saisonale Zustrom von Migranten wurde in diesem Jahr vom Coronavirus gestoppt.
Rumänen, Bulgaren, Polen, Letten und Litauer, die es nicht geschafft haben, vor der Pandemie anzureisen, kommen jetzt nicht mehr hin, denn die Grenzen sind geschlossen. Das Vereinigte Königreich steht aufgrund der großen Zahl Infizierter immer noch auf der Liste der Gefahrenländer. Um die Ernte einzuholen, müssten etwa 80.000 Arbeiter rekrutiert werden.
Britische Bauern appellierten in Videos an die lokale Bevölkerung. Mit Unterstützung der Regierung wurde eine Website eingerichtet, auf der 50.000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft angeboten werden, aber nur 112 Menschen konnten eingestellt werden, obwohl aktuell fast anderthalb Millionen Menschen finanzielle Unterstützung von der Regierung beantragt haben.
Die Briten sind nicht bereit, um fünf Uhr morgens aufzustehen und den ganzen Tag auf dem Feld zu arbeiten. Um die Spargelernte zu retten, stellte Landwirt David Hartnell Bewohner aus benachbarten Dörfern ein. Jetzt beschweren sich der Landwirt und seine Mitarbeiter übereinander: Er ist unzufrieden über die Ergebnisse, die Arbeiter beklagen, die Arbeit sei körperlich sehr hart.
In Essex bezahlten verzweifelte Bauern einen Charterflug, um 150 Arbeiter aus Rumänien zu holen und Deutschland unterzeichnete mit dem rumänischen Staat einen Vertrag, um 40.000 Arbeiter mit Charterflügen zu holen, aber es braucht Hunderttausende. Wurde sich noch vor kurzer Zeit in Westeuropa über zu viele Migranten aus Osteuropa beschwert, steht nun ganz Westeuropa um sie Schlange.
 
Die Situation nutzend, haben die wichtigsten „Lieferantenländer“ für Sklaven keine Eile, sie einfach gehen zu lassen. Die ukrainische Regierung sagte jetzt, dass sie die Gesundheit ihrer Mitbürger nicht aufs Spiel setzen könne. Seit Beginn der Pandemie haben Ukrainer mit allen Mitteln versucht, aus Europa in ihre Heimat zurückzukehren, aber ohne Geld ist auch zu Hause sitzen schwierig.
Der erste Charterflug nach Finnland brachte 200 Personen aus der Ukraine. Diejenigen, die noch nicht rauskommen konnten, hören neidisch die Geschichten derer, die es geschafft haben, in Europa zu bleiben. Wegen der geschlossenen Grenzen werden oft auch abgelaufene Visa – normalerweise ein Grund für Abschiebung und mehrjährige Einreisesperre – derzeit nicht zu einem Problem.
Früher kamen die Ukrainer vor allem über Polen nach Westeuropa, von dort nach Deutschland und Frankreich. Bulgaren und Rumänen gingen nach Zentraleuropa oder ins Vereinigte Königreich, aber jetzt sind die Grenzen unüberwindbar. Wanderarbeitnehmer aus Moldawien sitzen derzeit zwischen Frankreich und Deutschland fest.
Die Menschen können nur mit dem Flugzeug gebracht werden. Anstelle der üblichen Busse will Polen Charterflüge in die Ukraine schicken.
Die Europäer haben Angst vor leeren Regalen in Supermärkten und steigenden Preisen, wenn die Ernte nicht eingebracht werden kann. Gleichzeitig beklagen die Milcherzeuger im Vereinigten Königreich, dass die Nachfrage nach ihrem Produkt sinkt und sie Milch vernichten müssen.
Die Pandemie hat die Lebensweise in Europa völlig auf den Kopf gestellt. Zu den geschlossenen Grenzen und dem Mangel an Bewegungsfreiheit kommt nun auch noch die Gefahr von Lieferengpässen bei Lebensmitteln hinzu.
Ende der Übersetzung
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Literatur:
Quellen: PublicDomain/anti-spiegel.ru am 30.04.2020

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