von Niki Vogt |
Der reiche Onkel aus Amerika war in den sechziger und siebziger Jahren eine gängige Redewendung. Damals boomte die Wirtschaft, die Menschen waren stolz auf ihr Land und ihre Freiheit. Heute versinkt der Erdteil immer mehr im Elend. Zwanzig Prozent der Menschen haben nicht regelmäßig zu essen, noch mehr haben zwar jeden Tag etwas, aber nicht genug. Vor den amerikanischen „Tafeln“ stehen die Leute Schlange. Und es ist durchaus nicht nur die Unterschicht. Die Corona-Pandemie hat auch den Mittelstand in die Knie gezwungen. Das, was bei uns gerade anfängt sichtbar zu werden.
In West Virginia, dem Land der Berge, haben sich die Zahlen der Bedürftigen seit der Pandemie fast verdoppelt. Und die Armut hat sich in die gesellschaftlichen Bereiche hineingefressen, die vorher noch zu den Spendern für die Tafeln gehörten. „Facing Hunger“ (etwa „dem Hunger ins Auge blicken“) heißt eine der Organisationen, die sich um das Heer der arbeitslos und mittellos Gewordenen kümmert. Ein wenig Erleichterung brachten die Schecks, die der neue Präsident Biden sofort verteilte. Jetzt können vorerst wieder einige im Supermarkt das Nötigste kaufen. Wie lange das gut geht, wissen die Helfer nicht.
Insgesamt hat sich der Anteil der US-Amerikaner, die nicht mehr genug zu essen haben, seit 2019 verdoppelt. Schon im ersten Jahr der Corona-Pandemie war diese Armutsquote auf 10,5% der Bevölkerung gestiegen. Über das Jahr 2020 hat sich die Krise verstärkt. Brookings Institution, ein US-amerikanischer Thinktank, veröffentlichte bereits im Mai 2020 eine Studie, die feststellte, dass hauptsächlich Haushalte mit Kindern unter 12 Jahren nicht genug zu essen haben und unter echtem Hunger leiden. Im Vergleich zu 2018, wo 3,1 Prozent der Mütter mit Kindern unter 12 angaben, dass ihre Kinder zu wenig zu essen bekommen, weil das Geld für Lebensmittel fehlt, hat die Häufigkeit hungernder Kinder seit dem Pandemiejahr 2019 um 460 Prozent zugenommen.
Das Klientel: 89 Prozent derer, die an den Essensausgaben anstehen, sind Familien, alte Leute, Behinderte und Obdachlose. Die „underemployed families“ – also Familien, wo die Eltern oder jungen erwachsenen Kinder zwar irgendwelche Jobs haben, von denen man aber nicht leben kann, sind der Hauptteil. Meistens haben sie mehrere Hungerlohn-Jobs. Die Arbeitgeber vergeben meistens nur Teilzeitjobs, um keine Sozialleistungen bezahlen zu müssen – und weil sie wissen, dass aus der Not heraus jeder Job angenommen wird.
Das Personal an den Verteilungsstellen, wo man sich kostenlos Essen abholen kann, stellt fest, dass mittlerweile 40 Prozent ihrer „Kundschaft“ vor der Pandemie noch nie auf „Tafeln“ angewiesen waren. Manche weinen, wenn sie zum ersten Mal kommen, so sehr empfinden sie das als eine Demütigung, als den Beweis des Gescheitert-seins, als Verlust ihrer Würde. Manche leben mit ihren Kindern im Auto, weil sie aus der Wohnung geräumt wurden.
Die Biden-Regierung stampft angesichts des galoppierenden Elends eine Hungerhilfe-Kampagne aus dem Boden und erhöht die zur Verfügung stehenden Gelder um -zig Milliarden Dollar:
„Die Kampagne hat die Lebensmittelmarken um mehr als 1 Milliarde Dollar pro Monat erhöht, bedürftigen Kindern pro Tag einen Dollar für Snacks zur Verfügung gestellt, eine Nahrungsmittel-Zulage für Schwangere und Kinder aufgestockt und das größte Kinder-Sommer-
James P. Ziliak, Ökonom an der University of Kentucky studiert Ernährungsprogramme. Er staunt, wie schnell die Zahlen nach oben schießen: „Seit der Gründung des modernen Lebensmittelmarkenprogramms im Jahr 1977 haben wir keine solche Expansion der Nahrungsmittelhilfe in dieser Größenordnung gesehen. Das ist eine tiefgreifende Veränderung.“
42 Millionen US-Amerikaner – also im Prinzip halb Deutschland oder ein Achtel der US-Gesamtbevölkerung - sind mittlerweile von sogenannten SNAP-Gutscheinen (Supplemental Nutrition Assistance Program) abhängig. Das sind im Prinzip Lebensmittelmarken, die man in Supermärkten gegen Essbares eintauschen kann. Diese Hilfen bekommt man sehr schnell für kurzfristige Notlagen, sie sind aber befristet und werden dann zugeteilt, wenn sich die Lebenssituation plötzlich ändert und die Zuteilung von Langzeitprogrammen erst einmal durch den Behördenweg laufen muss.
Bislang waren es hauptsächlich Schwarze und Hispanos, die an der Hungergrenze lebten. Seit Ende 2020 kommen riesige Zahlen an weißen Arbeiter- und Mittelstandsfamilien dazu. Und diese Zahlen steigen weiter und schneller. Die neue Regierung versucht, durch vorübergehendes Kindergeld das Schlimmste abzufedern, um die Kinderarmut zu halbieren. Viele Familien bekommen nun auch Zuwendungen aus einem weiteren Programm namens „Pandemic EBT“. Das Programm gibt elektronische Gutscheine für Lebensmittel aus, die die Mahlzeiten der Schulkinder ersetzen, die normalerweise in der Schule ausgegeben werden. Durch die Pandemie und die geschlossenen Schulen haben gerade am Existenzminimum lebende Familien plötzlich neben Einkommenseinbußen auch noch höhere Lebensmittelausgaben, weil die Schulspeisungen entfallen.
Ein weiteres Problem ist, dass viele der üblichen Verteilstellen wegen der Pandemie geschlossen sind, wie Kirchen, Gemeindesäle, Kindergärten etc. und die Leute viel weitere Wege in Kauf nehmen müssen, um an die Essensausgabestellen zu kommen. In Zeiten wie diesen ist auch eine Anfahrt von nur zwei Kilometern mehrfach die Woche ein Kostenfaktor. Zu Fuß ist das eine anstrengende und langwierige Geschichte, besonders, wenn man auch noch kleine Kinder dabei hat und alles selber schleppen muss. Öffentliche Verkehrsmittel sind traditionell wenig ausgebaut in den USA, weil man da normalerweise mit seinem Auto fährt.
Daher stellen viele Bürger am Straßenrand Klapptische auf und geben aus ihrer privaten Tasche Lebensmittel an die Bedürftigen aus. Etwas typisch Amerikanisches. In solchen Situationen sind die Menschen dort sehr solidarisch und hilfsbereit.
Die NZZ trifft bei ihren Recherchen in Chicago zu dem Thema auf den deutschen Einwanderer Karl. Der war Elektrotechniker und verdiente gut. Heute, mit 77 Jahren, stellt er sich für eine warme Mahlzeit zusammen mit anderen Obdachlosen in der Schlange an. „Selbst Qualifizierte können innert Wochen abstürzen. Viele Leute, die für eine kostenlose Mahlzeit anstehen, sind gut ausgebildet und hatten qualifizierte Jobs, bis sie abrupt abstürzten, so wie Karl.“
Aber auch Mittelamerika und Südamerika erfahren durch die Covid-19-Pandemie eine deutlich verschärfte Hungerkrise. Die Lockdowns haben auch dort die Wirtschaft lahmgelegt und viele um Lohn und Brot gebracht. Von den 16 Millionen Guatemalteken litten etwa zweieinhalb Millionen schon vor der Pandemie an chronischer Unterernährung. Nun sind noch Millionen dazugekommen.
Der Leiter des World Food Program WFP (Welternährungsprogramm) schlägt Alarm. Überall auf der Welt geraten die Menschen in eine Krise, die weniger von der Pandemie als von den Eindämmungsmaßnahmen dagegen angetrieben wird. Nach Angaben des Leiters des WFP, David Beasley, verdoppelte sich bereits weltweit die Zahl der Menschen, die wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Eindämmungsmaßnahmen von Hunger bedroht sind. Seine Warnungen sind erschreckend:
„Der WFP-Direktor, der zuvor gewarnt hatte, dass die ‚Medizin‘ gegen die COVID-19-Pandemie nicht schlimmer sein dürfe als die ‚Krankheit‘, erklärte vor wenigen Tagen vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, dass infolge der wirtschaftlichen Corona-Auswirkungen nun 270 Millionen Menschen ‚in Richtung Hungertod marschieren‘.“
Erinnern wir uns nicht alle daran, dass die Corona-Eindämmungsmaßnahmen im Frühjahr 2020 mit dem Schlachtruf „jedes Leben zählt!“ ausgerufen wurden? Nun zeigt sich, dass fast das Hundertfache der Coronatoten an Hungertoten produziert wird. Am 11. April Ortszeit 18:15 gab es bisher weltweit 2.920.537 Coronatote, in Worten: 2 Millionen-
Insgesamt beträgt die Weltbevölkerung etwa 7,8 Milliarden, selbst eine Todeszahl von 3 Millionen Corona-Toten sind nur ca. 0,03 Prozent davon. Das ist in keiner Weise eine Rechtfertigung für die Zerstörung der Weltwirtschaft, was ca. drei Prozent der Menschheit einen elenden Hungertod sterben lassen könnte, wenn David Beasley Recht behalten sollte.
Jedes Leben zählt?
David Beasley sagt: „Basierend auf dem, was wir in dieser Phase des Spiels sehen, wird es katastrophal werden.“
Auch in Europa bauen sich dunkle Wolken zusammen. Auch hier brechen die Lieferketten der Lebensmittel und anderer Güter ein durch die Eindämmungsmaßnahmen. Es ist fast unmöglich, die Warenlieferungen nach Europa hineinzubringen und trotz aller Warnungen von Spediteuren und Wirtschaftsmanagern hält die EU an strikten Einfuhrkontrollen und Tests fest.
Die Seite Armstrong economics ist sehr bekannt. Die Analysen treffsicher und intelligent geschrieben. Es gehört nicht zu den Gewohnheiten dieser Wirtschaftsseite, den Teufel an die Wand zu malen. Wenn hier also ein solches Szenario wie das Folgende entworfen wird, sollte man sich Gedanken machen und vielleicht besser darauf vorbereiten. Dass die Lieferketten für Lebensmittel zu brechen beginnen, wird schon seit Wochen in Wirtschaftsseiten thematisiert. Der Bürger wird aber im Dunkeln gelassen. Die Mainstreammedien verbreiten stattdessen Hofberichterstattung und Inzidenzzahlen.
„Wir sehen einer bevorstehenden, ernsten Lebensmittelkrise in Europa direkt ins Gesicht. Die Lebensmittelpreise steigen ständig und weitere drakonische COVID-Maßnahmen innerhalb der EU werden die Lebensmittelversorgungsketten zum Erliegen bringen. Unsere Modellrechnung haben besorgniserregenderweise ergeben, dass diese über acht Jahre andauernde, zyklische Welle bis 2024 eine Inflation bei den Rohstoffpreisen werden wird, die aber eher auf eine Mangelsituation als auf spekulative Nachfrage zurückzuführen ist. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass die Welt auf eine ernste Lebensmittelpreiskrise zusteuert. (…) Unsere Modelle prognostizieren, dass sich der preisliche Aufwärtstrend des FFPI bis ins Jahr 2024 noch verstärken wird. (…) So sieht der Deutsche Fruchthandelsverband die Versorgung mit Obst und Gemüse aus dem Ausland erheblich gefährdet, da die Importe ausgesetzt worden sind. Grund dafür ist die Verschärfung der Corona-Einfuhrregelung durch die Bundesregierung. Die Verschärfung der Einreisesperre in Europa schränkt die Lieferketten mehr und mehr ein, was die Versorgung mit Lebensmitteln immer weiter reduziert.“
„Es steht außer Frage, dass der Aufwärtstrend der Preise durch die Corona-Eindämmungsmaßnahmen in Gang gesetzt wurde. Es gibt genügend Videos von Bauern, die ihre Ernte unterpflügen oder ihr Vieh töten müssen, weil sie ihr Produkt nicht auf den Markt bringen konnten. (…) Während diese wirtschaftliche Instabilität, entfesselt von diesen Politikern durch ihre drakonischen Coronamaßnahmen, anhält, spitzt sich das Risiko eines totalen Zusammenbruchs der Versorgungsketten weiter zu. Wenn das passiert, dann werden sich sämtliche Waren inklusive Lebensmittel drastisch verteuern, was sich auch noch durch weitere Verknappung des Angebots und der Versorgung beschleunigt wird.“
Der Beitrag sieht soziale Unruhen in Europa ausbrechen, wenn es zu einer erheblichen Nahrungsmittelknappheit kommt. Dies wiederum werde politische Umwälzungen bewirken. Das Missmanagement der EU-Regierung könnte ihr schmerzhaft auf die Füße fallen. Die Angestellten und Arbeiter verlieren ihre Arbeitsplätze, der Mittelstand seine Existenz und die Europäer werden auf breiter Front erhebliche Kaufkraftverringerung erfahren, die dann auch noch auf eine Preisinflation bei Nahrungsmitteln trifft. Eine brisante Mischung.
„Die Welt ist in keinster Weise auf eine Nahrungsmittelkrise vorbereitet. In den großen Städten wird die Krise richtig schlagend werden. In Deutschland liegt die Mehrwertsteuer bei 19% auf Grundnahrungsmittel und andere Artikel des täglichen Bedarfs. Die hohen Einkommenssteuern in Europa und die drastischen Mehrwertsteuern reduzieren noch einmal die Kaufkraft des normalen Bürgers. Dazu kommt noch das Problem, in einer solchen Krise Nahrungsmittel in den Städten zu verteilen. Es ist schon lange bekannt, dass sogar Städte wie New York allenfalls für sieben Tage Nahrungsmittelvorräte hat. Eine Krise, die länger dauert, wird zu einem Kollaps der zivilen Ordnung führen.“
Dazu kommt auch noch in den USA, dass zwischen 2011 und 2018 mehr als 100.000 landwirtschaftliche Betriebe aufgeben mussten. Das Time Magazine schrieb 2019, die amerikanischen Kleinbauern würden geradezu ausgerottet: „Sie versuchen uns von der Landkarte zu löschen“. Kleine Höfe werden schlicht zerrieben zwischen Steuerlast und Überregulierung, die Kleinbauern haben keine Chance mehr – und Bill Gates kauft das ganze Land auf. Er ist mittlerweile der größte Landbesitzer in den USA. Ein Schelm, wer dabei denkt, dass das wohl angesichts einer Nahrungsmittelkrise das beste Investment ist.
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